Die Reflektion, auf welcher sozialen Grundlage ich mich im "Traumraum" einrichte,
gehört zum Thema des Projektes. Und ich merke in diesem Text am 4.7.2021: Das Wegschließen ist seine
Eigenart und liegt mir als Aspekt des Daseinkönnens - nicht des
derzeitigen Daseins - im Blut.Mein
"Traumraum" stellt - sich scheinbar veröffentlichend - mir eigentlich einen Raum zur Verfügung, in den hinein
ich ohne soziale Kontakte meine existieren zu können.
Bei Teilen meiner Mitwelt löst diese Neigung von mir
gelindes Entsetzen und Blockade aus - so etwa wie es andere Männer
erwischt, wenn sie schwul sind.
Aus dem Traumraum heraus gehe ich mal in die
Küche, mal aufs Klo. Weiter gehe ich, um im immer gleichen Laden die
weitgehend gleichen Lebensmittel einzukaufen. Wortarm: Ich rede da nichts
von dem, was mich bewegt, gegenüber der konkret noch vorhandenen, der in
Resten mir begegnenden und von mir wahrgenommenen Mitwelt.
Ich weiß, dass man für diese Rückzugs-Position
gesund sein muss. Wird der Gang zum Arzt erforderlich, beginnt die soziale
Tretmühle. Ich weiß, dass man eben ein Grundeinkommen braucht. Sollte man
je gezwungen sein, für ein Grundeinkommen die tausend Formulare und
mechanischen Abhalfterungen deutscher Ämter zu absolvieren, ist eher
Verhungern angesagt. Ämter bekommen nichts mit vom "Hikikomori".
"Hikikomori" ist der Begriff für die
japanischen Gestalten, die sich von ihren Eltern durchfüttern lassen. 1,6
Millionen davon soll es in Japan derzeit geben.
Im sehr anderen Nachbarland China (der Vergleich
Westdeutschland / Ostdeutschland vor 1989 bietet sich an) boomt der
Jugend-Trend ebenfalls tragisch-apathisch und hat seit 2021 auch sein
Kennwort: Tangping - Flachliegen.
Die Finnen mit ihrem dunklen Winter kennen das schon
lange: "Kalsarikännit" heißt "sich alleine zuhause in Unterhosen
besaufen, ohne die Absicht zu verfolgen, das Haus zu verlassen." Ja.
Grafik oben: "Kalsarikännit" - Karl verwahrlost
heute und begründet das nicht
Die Engländer haben offiziell noch nicht bemerkt,
dass Menschen im Zustand des Wegdriftens jedes Alter bis zur Rente (die
ist dann die amtliche Aufforderung: Schließ dich weg!) erreichen können. "Neet"
- not in education, employment or training - "lässt sich nicht ausbilden,
hat keine Arbeit für Geld und versucht auch nicht, zu einer Anstellung
oder einer Fortbildung zu gelangen" nennen sie die bei ihren Ämtern nicht
sich meldenden, gesellschaftlich nicht existenten Gestalten unter 20...
30... jetzt langsam 40. Also diese Jungs - es sind vor allem Jungs, die
sich wegschließen - diese Neets werden ja nun schrittweise älter und
melden sich nicht, umgehen, dass man sie statistisch erfasst und sie zum Arbeiten
für Geld zu zwingen versucht.
Grafik oben: "Neet" - Ihr glaubt, indem ihr
Druck ausübt, bewegt sich ein Mensch? Das hat Grenzen.
Der Rückzug zur Fernkommunikation hat prominente
Autoren. Ich picke mal Sören Kierkegaard und Marcel Proust
heraus. Es ist lustig, in Wikipedia zu lesen, verfasst von Datenpuzzlern,
welchen sozialen Aktivitäten diese Autoren nachgekommen seien. Das
Verständnis der Datenpuzzler dafür fehlt, dass diese Autoren ausdrücklich
- irgend ein kleines Vermögen aufzehrten. Als
Kierkegaard sein Vermögen im frühen Alter von 42 auf Null geschrumpft hatte, fiel er auf
der Straße tot um.
- in ihren Schriften das Wegschließen ins Zimmer als
Grundvoraussetzung formulierten: "Marcel Proust legte sich in sein Bett,
notierte Erinnerungen und stand nicht mehr auf". 52 wurde er damit.
Grafik oben: "Hinausschauen reicht" - Ein
Mensch ist ins Zimmer zurückgewichen und verzichtet auf sonstige Welt.
Diese beiden Autoren - und es mag noch Hunderte
geben - versuchten auf dem damaligen Weg des Briefeschreibens bereits,
sich in die Fernkommunikation hinein und von der handgreiflichen Welt
fort zu bewegen.
Das Internet nun fördert den "Hikikomori". Meine
Nachbarfamilie hat einen Sohn, der chronisch gar nichts macht. Auf den
ersten Blick kann ich mit ihm reden, und von der Rede her nimmt er auch
irgend etwas in Angriff. Angeblich repariert er Computer und versteht
einiges von Software. Aber er tut rein gar nichts - nicht einmal die
Kehrwoche im Haus führte er durch, nachdem man ihm gegen Honorar diesen
Auftrag zu geben versuchte. Er wird von seinen Eltern durchgefüttert.
Und ich angele mir nun einen "Traumraum" und
arrangiere Netz-Kommunikation: Gelegentlich ein Bildchen in einem sozialen
Netzwerk. Aber da geht es schon los mit dem Wegschließen: Ich verweigere
"Freundschaften" bei Facebook. Nein, keinen da kenne ich. Und diese
Homepage hier sammelt ja keine Daten, hat keine Cookies, ermöglicht keine
Beiträge von Besuchern, weiß nichts von Besuchern und geht davon aus: Es
gibt sie gar nicht. Meine Homepage "traumjahr.de" sitzt im Knast des Datenschutzes:
Datenschutz kann in
der Praxis zum Argument missbraucht werden, jeden von jedem informell zu isolieren.
Mich besuchen im Traumraum? Die Stunde kostet 100
Euro. Da lachen diejenigen, die das lesen, und bleiben weg. Eine Barriere
ist erfolgreich errichtet. Ich kann im Zimmer sitzen, treibe
Schein-Kommunikation, die ein Spiegelgefecht bleibt, und existiere bei
ausdrücklichem Veröffentlichen parallel gar nicht in der sozialen Welt.
Schön so. |