Traumdusche

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Die Traumdusche

Frisch geduscht wachen wir am Morgen auf. Denn wir haben geträumt. Wir waren beschäftigt mit allem, was für uns mit Gefühlen beladen ist. Unsere Träume sind für uns immer spannend, in einem weit gespannten Bogen. Also der Traumablauf ist auf den ersten Blick von unseren Tagesresten weit entfernt.

„Das bin ich" können wir zu allem sagen, was uns im Traum begegnet. Unser Traumerlebnis hantiert mit den Bausteinen, die in uns hängenblieben. Unser Traum zeigt unsere Übersetzungen des Gebäudes der Welt, zeigt, wie wir dieses Gebäude in uns umarbeiten, aufarbeiten, verarbeiten.

Der Traum versucht Wahrgenommenes einzuarbeiten in das, was in uns bereits als "wahrgenommen" bereitliegt. Wenn wir uns schnell und entspannt zu irgendeinem Moment unseres Traumes, an den wir uns frisch erinnern, fragen, woran er uns erinnert - so gibt es da zumeist eine Antwort. Wir können zurücktunneln aus den geträumten Folgen eines auslösenden Momentes zu diesem Moment, der eine Szene unseres Traumes auslöste.

Unser Stammhirn feuert während des Schlafens zeitweise in das sonstige Hirn hinaus: „Träume!". Das, was sich in unserem Gehirn während des Tages anmeldete als lernenswert, gefühlsbeladen, spannend, neu, wird von diesem Befehl wie mit einer Schrotflinte getroffen, also pauschal und ohne Ziel. Zehn, hundert oder tausend kleine Erinnerungs-Spiegel in unserem Gehirn antworten auf die Anregung des Stammhirns und fragen in ihre Umgebung im Gehirn hinaus: Wer bin ich? Wo passe ich hin? Was passt zu mir? Wo ist mein Platz? Aus den Antworten um das Neue in unserer Tageswahrnehmung herum baut sich dann die Traumhandlung auf.

Genießen wir, dass wir imstande sind, zu träumen. Sammeln wir, was wir vom Traum erinnern. Spielen wir damit - es gibt mehrere Spiele.

Gelegentlich spiele ich das literarische Spiel: Diese Nachtschattenwelt wird von mir schlicht nacherzählt. Beim Niederschreiben empfinde ich meine Geschichten als wertvoll, weil sie exzentrisch sind. Beim späteren Lesen missfällt mir dieses Getriebensein, die Zielarmut der Traumberichte. Sie sind nicht klug und aus der Distanz auch nicht mehr aufschlussreich. Deshalb zögere ich, meine Traum-Verrücktheiten schlicht nur zu erzählen

„Warum verblasst die Erinnerung an einen Traum?" fragte ich mich und versuchte ein Erinnerungsspiel: Einen intensiv erlebten, recht schrecklichen Traum notierte ich und erzählte einen Tag, einen Monat, ein Jahr, gar ein Jahrzehnt später nach, was von meiner Traumerinnerung übrig geblieben war. „Irgendwas mit einem Fahrradunfall", kann ich noch heute sagen. „Erinnerung bleibt soweit erhalten, wie sie fürs ablaufende Leben praktisch ist" ist meine Folgerung - die so schon Tausende auf andern Wegen folgerten - und Träume in ihrem erinnerten Ablauf sind selten „praktisch".

In Gesprächen mit Studenten der Psychologie erhielt ich dann den Hinweis auf das „Ichen". Ein neu geschöpftes Verb für den Vorgang, dass man zu jedem Gebilde, an das man sich aus einem Traum heraus erinnert, sagen kann: „Ich bin dieses Ding, diese Szene, diese Person". Diesen Spaziergang in der eigenen Traumerinnerung habe ich etwa ein Jahr lang kultiviert, mit dem Ausklang, dass ich aus beliebigen Traumszenen in eine „Grundszene" hinabgelangte, die meine damalige Situation - sie war eigentlich nicht die glücklichste, aber ich hatte auch kein Gefühl, festgefahren zu sein - kennzeichnete.

Mein Projekt „Traumjahr" weiß nun schon im Voraus, dass es Traumstoff geben wird. Dass ich nichts Weiteres zwingen muss. Denn ich habe vorgearbeitet, vornotiert, vorgeträumt. Im Rahmen des Projektes kann ich bei Bedarf darin stehenbleiben, dass ich aufarbeite. Denn eine Aufarbeitung früherer Traumnotizen habe ich vor dem Start des Projektes "Traumjahr"  unterlassen. Solch Vorgegebenes beruhigt. Ich erwarte aber schon, dass ich im Projekt "Traumjahr" weiter voranschreite, hin zur Kommunikation und zu grafischer Kunst, und sehe dem gespannt entgegen.

Überwiegend 2016 für "psycholand.de" verfasst. 2021 an "traumjahr.de" angepasst