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Traumskulptur 2 von Chris Mennel: "Befürchtungen beim Öffnen"

Das im Souvenirshop kaufbare Püppchen hier ist natürlich nur der Roh-Entwurf. Ich wünsche mir eine weiße gekalkte Puppenhülle mit schwarzer Grafik darauf oder mit dem Wort "Glaubt mir nicht" in der Muttersprache des Käufers oder des Ausstellungsortes.

Natürlich spukt beim Beschriftenwollen meiner Objekte in irgend einer Muttersprache stetig meine Zuneigung zu exotischen Schriftzeichen herum: Chinesisch, japanisch, koreanisch, arabisch, aber auch schon russisch: Schreibt "Glaub mir nicht" drauf!

  

Ja, die beliebte Babuschka-Puppe: Öffnet man sie, soll eine kleinere Puppe da drin sind, und öffnet man die, ist eine noch kleinere Puppe drin, und wer die öffnet, trifft auf eine noch kleinere Puppe... ein vielsagendes Spielzeug für Philosophen, Psychologen und auch Physiker: Es gibt ja die kleinste Raumeinheit (das ist nichts mit Zentimetern, sondern ein Abstand zwischen zwei Strukturen, der im Experiment da ist, aber keinen Raum enthält - die "Quantelung"). Unsere Touristen-Babuschka wird nach zwei bis fünf Puppen melden: "So, du hast in mir die kleinste Puppe erreicht. Mehr Kleinerwerden bekommst du nicht für dein Geld".

Als Kunstobjekt treffen wir gleich außen auf ein politisches Statement: "Glaub mir nicht." Glaube keinen Versprechungen von hübsch gemachten Puppen. Glaube keinen Behauptungen der Vermarkter. Glaube nicht dem, was die äußere Hülle ankündigt.

Das wird nach meinem Eindruck gleich verstanden vom Besucher: Aha, wenn ich diese Puppe öffne, wird keine weitere Puppe drin sein, sondern irgendwas anderes.

Der Besucher hat nun Sorge: Wird aus der Puppe mich eine Spinne anspringen? Wird mich ein Wasserstrahl treffen? Löse ich ein Hohngelächter aus beim Öffnen?

Erleichtert nimmt der Besucher zur Kenntnis, wenn er trotz gewisser Befürchtungen die Puppe öffnete: Ach, da ist nur Kunst! Nur Spinnerei ist drin!

Alles außer Spinnen, Wasserstrahl und Hohngelächter darf ich als Künstler hineingeben in die Glaub-Mir-Nicht-Puppe. Was ich tatsächlich hineingab, benannte ein Besucher bei meiner Ausstellung In Honau im Juli 2022 originell als "Backfisch": Ein Fischmodell war auf einen kleinen Backstein geklebt.

Ich finde den "Backfisch" (deutsche Scherzbezeichnung für Teenager) schön klassisch dadaistisch: Die zwei in die Babuschka-Puppe gelegten Dinge haben demonstrativ wenig miteinander zu tun. Ein Fischköder gehört ins Wasser, und auf einen Backstein gehört Zement. Die Dinge werden durch die Kopplung ihrer denkbaren Funktion beraubt...

Uuuh, der letzte Satz war ein erstes Mal in meiner Rede hier Kunst-Interpreten-Geschwafel. Dass der Künstler sich etwas Funktionierendes schnappt und es dann durch irgend eine Manipulation nicht mehr funktioniert, trifft auf tausend moderne Kunstobjekte zu und auch auf fast alle von mir erzeugten Traumskulpturen.

Wir schließen die Puppe wieder. Glaubt ihr nicht.