Autarkie als Marschrichtung
Ein Künstler zwischen den enormen Möglichkeiten der Digitalisierung und
dem enormen Diebstahl an Autoren
Hier kommt im Prinzip ein Rundblick über die Pfade, in denen Kunst im weiten
Sinne, also inklusive Literatur, Musik und Film, im Jahr 2022 aus meiner
Sicht die Öffentlichkeit erreicht.
Weil ich das Projekt "Traumraum" seit
Juli 2021 zu meiner Einstiegs-Vorzeige-Kunst-Handlung gemacht habe, weil
aber drumherum bei mir ein Kunstverbund, ein künstlerischer Zangen-Angriff
seit 1993 sich garniert, stelle ich diesen Text, der mit "Träumerei" wenig
zu tun hat, mal bei "traumjahr.de/raum" ins Internet. Inhaltlich ist es ein
Beitrag für meine Domain "www.kunstforscher.de".
Chris stellt in Haus Mitte
Stuttgart 1993 "Psychodelia"
aus - Dia-Doppel-Belichtungen. Ein Bild hing über der Spüle :-)
Wenn ich Kunst mache, betrete ich vier Markt-Typen und die Förderwelt:
Soweit ich die Förderwelt betrete, versuche ich gar nicht, am Markt
gekauft zu werden. Ich versuche, gefördert zu werden. Das führt zu einer
eigenen Kunstform, der "Förderkunst": Die
Kriterien von Gremien werden angesteuert. Gremien müssen auf Papier
begründen können, warum sie etwas fördern. Man trifft Künstler an, die vor
Beginn ihrer Kunst als wesentliches Papiere hergestellt haben, die zu den
Kriterien von Gremien passen. Das sind Künstler, die nach Beendigung ihrer
Kunstdarbietung eine Abrechnung erstellen und belegen, dass ihre Kunst
wichtig gewesen sei. Anschließend können Geförderte ihre Kunst vergessen,
und sie wandert in den Keller. Förderkunst steht an Stellen herum, wo
Gremien Kunst hinkaufen können. Förderkunst möchte auf dem Papier und in
ihrer Beschreibung beeindrucken. Freie Kunstkäufer übersehen sie. Das ist
für Förderkunst aber belanglos.
"Freie Kunstkäufer"? Da sehe ich den Markt für Bildende
Kunst vor mir. Also Gemälde und Skulpturen sowie allerlei
Neuzeitliches. Nur streune ich seit 1994 am Rande des Kunstmarktes herum
und habe nie einen Kunstkäufer getroffen. Ich habe hier und da eine
Hundertschaft von Besuchern einer Vernissage herumstehen sehen. Aber ich
habe keinem Kunstkauf je zugesehen - und wir schreiben derzeit 2022. Nur
einmal hatte ich einen offiziellen Galeristen: Andrè Falck mit der Galerie
Ext Art in Köln. Im wesentlichen sah ich ihn Ausstellungen aufbauen und
wieder abbauen, und er hatte kein einziges Werk darin verkauft (sorry,
André, auch bei mir nicht). Einmal
berichtete er, nun habe er für 20.000 DM (wir befinden uns am Ende des
letzten Jahrtausends) ein Werk verkauft - ein senkrecht hängendes
Sand-Gemälde, wahrlich ein gutes, großes, schweres Ding. Mir will
scheinen, Andrè saß und lief monatelang herum und bemühte sich gegenüber
tausend Besuchern, damit etwa zweimal pro Jahr ein Kunstkäufer bei ihm bis
zum Kunstkauf gelangte. Mir gruselt.
Es gibt bei diesem lokal von mir als tragisch erlebten Kunstmarkt dann
noch das Überregionale: Einmal etwa im Jahr wird von einem unerwarteten
Millionen-Erfolg berichtet bei einer Kunstversteigerung. Ein unklar hoher
Anteil der Kunstkäufer seit gefühlt 1960 wird damit gelockt: Sie würden
eine Wertanlage kaufen, die eben Kunst sei, nicht Aktie, nicht
Gebrauchsgegenstand. Vielleicht sind mittlerweile alle reichen Kunstkäufer
in ihrer Perspektive zur Gänze bis zur Hälfte unterwegs, um die "richtige"
Wertanlage zu erwerben. Was "richtig" sei, versuchen die Galeristen und
Kunstversteigerer zu vermitteln. Mir gruselt weiterhin.
In die gegenteilige Richtung erlebe ich den Buchmarkt:
Ein Buch kann jeder kaufen. Längst stehen große Buchmengen auch zum
Verschenken bereit. Nachbarn bei mir um die Ecke, Kirchen, Bibliotheken:
Sie bieten Kisten an mit Büchern zum Mitnehmen. Beim neu erschienenen Buch
gelangen in Deutschland durch eine dankenswerte Einrichtung noch Honorare
zu den Autoren und Verlegern: Die Buchpreisbindung. Der "freie Markt"
hätte die Verramschung des Buches schon bis zum Wegnehmen aller Gewinne
von Autoren und Kleinverlagen getrieben, hin zu Monopolen und Vasallen,
mit ein paar Erfolgreichen als Lockvögeln, dass weitere Autoren noch ihr
Glück versuchen - und zumeist ihre Leistung nicht honoriert erhalten.
Ich meine aber zu sehen, dass du im Schutz der Buchpreisbindung in
Deutschland als Künstler, der Bücher herausgibt, noch zu einem gewissen
Lohn kommen kannst: Liefere Qualität, und du hast auch 2022 auf dem
Buchmarkt als Künstler, also zumeist als Schriftsteller, in meinem Fall
als Herausgeber von Bildbänden, eine Chance. Wesentlich wird mein Versuch
sein, mich nicht durch Digitalisierung berauben zu lassen: Gib ein PDF an
Amazon, und es wird dir aus der Hand genommen. Nein, Papierbücher sollen
es sein.
Ein Mythos der Kunstmarkt, der Buchmarkt ein schmaler Grat: Wie sehe ich
den Musikmarkt? Als vitales Ding im
Underground, aber als Totenschiff im Kommerz. Hatte die "Musikindustrie" "Napster",
die erste Musik-Diebstahl-Plattform, noch plattgemacht, so haben sie sich
anschließend die Methoden des Musik-Diebstahls via Internet selbst zueigen
gemacht: Du kannst als Kunde dir beliebig viel Musik zum Mietpreis holen.
Die Abonnement-Zahlungen für das Gratis-Holen von Musik verbleiben bei der
Internet-Plattform, und der Künstler als letzter in der Reihe solcher
digitalen Kannibalisierung ist der Depp.
Es gab bis "vor Corona" 2019 und gibt irgendwie auch wieder "nach Corona"
2022 wunderbare Musik-Live-Acts. Ein "Label" zu finden hingegen ist in
Deutschland zunehmend mühsam - weil es zuwenig Gewinn gibt. Der
"Musikmarkt Deutschland" wird von Vermarktern heutzutage als "zu klein"
bezeichnet. Vor der Digitalisierung war "Deutschland" ein funktionierender
Markt, aber diese Zeiten sind angeblich vorbei. Musiker müssen nun
zunächst "ihren Weg" gehen mit Eigen-Organisation und Eigen-Produktion.
Dabei bleiben sie dann oft stehen - also obwohl sehr gute Musik produziert
wird, erreicht sie "den Markt" nicht.
"Der Musik-Markt", das sind im ersten Schwung bei Pop-Musik Jugendliche,
und denen wird "von oben", also von Konzernen her, eine Flut leerer Werke
serviert. In Deutschland machen das auch die von öffentlichen Geldern
mitgetragenen Sender mit: Profillose Munterkeit. Schämt euch!
Vorüberhuschende Gesichter, Namen und Klänge, die nicht Kunst, sondern
Wiederholung sind. "Der letzte populäre Musikrebell" brachte sich schon 1994 um
(Kurt Cobain). Seitdem bekommen wir Plastikrebellen serviert.
Außerhalb von Pop-Musik gibt es am Markt keine Musik. Klassik und
Avantgarde sind geförderter Nachwuchs ohne Marktbedeutung, Jazz bleibt
Kneipenmusik. Wird deutlich, dass ich dem Pop-Musik-Underground seine
Chance gebe? Also ein Künstler kann sich nach meiner Ansicht heutzutage
mit dem Verlegen von Papierbüchern und eigener Musikproduktion teilweise
vorbei am Internet-Diebstahl seinen Platz holen.
"Pop-Musik" fasse ich dabei scheinbar weit, aber sie kann trotzdem fast
immer gleich erkannt werden. Das geht von Folk über Pogo bis Techno. Wenn
es nicht gerade Meditations-Musik-Flächen sind (die ich auch dem Pop
zurechne), gibt es einen durchgehenden Takt (oder bei Art Rock mit seinen
Taktwechseln ein Schlagzeug, das dem Hörer sagt, wo es lang geht). Klassik
drückt sich davor, ihren Takt anzuzeigen (Ravels "Bolero", das erste
Pop-Stück in der europäischen Klassik, wurde belästert). Jazz liefert zwar
jede Menge Takt, bleibt aber in der Nutzung des Schlagzeuges und der
Tonarten zu eigensinnig, halt jazzig. Avantgarde steckt fest im Nein-Sagen
zu Takt und Tonalität (bis auf Philip Glass - den hassen Klassiker und
Avantgardisten - hoho, der hatte Erfolg am Markt).
In meinem schnellen, heimlich manchmal spöttischem Durchmarsch gelange ich
nun nach Bildender Kunst, Kunst in Büchern und Musik viertens zum
Film. Bei "Bildender Kunst" war meine Bilanz:
Gar nicht angehen. Nicht in Förderkunst versumpfen und davon ausgehen,
dass es viel zu wenig Kunstkäufer gibt. Beim Film sage ich Vergleichbares:
Verschenken. Zur Werbung nutzen. Aber "Verleihen" geht nicht. Mit dem
Verleihen von Aufführungsrechten bringt ja ein Film am Markt Gewinn.
Solche Gewinn-Möglichkeit wurde für den Kurzfilm in Deutschland
abgeschafft, indem nicht mehr vor dem Hauptfilm ein Kurzfilm im Kino
laufen muss. Der Film ist in der Hand der Kitschproduzenten geblieben.
"Kitsch" fasse ich jetzt unverschämt weit: Von repetitiven Stories ("Marvel-Universum")
bis zu vielen bombastischen Produktion ("Netflix"). Filme, die ein
einzelner Künstler produziert, werden am Markt überwiegend nicht
akzeptiert.
Ich drehe schon immer gerne und viel Kurzfilme (zwei bis fünfzig Minuten
Dauer). Die werden nicht in die Kinos und
nicht in die Fernsehgeräte gelangen. Ich musste ein eignes Genre für meine
Künstler-Filme erfinden: "Hyperkino"
(Bitte die Seite hier im Auge behalten. Von Hyperkino aus gibt es keinen
Rücklink). Mal schauen, ob und wie ich das vermarkten kann:-)
Soweit, so durchaus richtungsweisend für mich selbst habe ich heute am
31.3.2022 diesen Rundblick verfasst. Nicht Galeristen anzubetteln "Stell
mich aus", nicht Buchverlage anzuschreiben, sondern selbst zu verlegen
unter Ausklammern des Drucks der Monopole, das eigene Werk auf dem Tablet
lesbar zu machen; vergleichbar eigenständig Musik zu veröffentlichen und
nicht mit Aufwand versuchen, eigene Kurzfilme in Sackgassen
("Filmfestivals") unterzubringen: Das gibt doch eine Marschrichtung vor. |